Hanna, Webdesignerin

Wutentbrannt stürmte Hanna die Treppe hinunter. Zornig gab sie einer leeren Cola-Dose einen gewaltigen Tritt. Das Aluteil flog in einem riesigen Bogen quer über den Schulhof und schlug scheppernd auf. Der Hausmeister, der gerade um die Ecke kam, schimpfte lautstark über die Jugend von heute. Doch Hanna war das völlig egal.

   "Was willst du denn hier", hatte für fünf Minuten der Lehrer der Computer-AG Hanna gefragt, als sie gut gelaunt in den neu eingerichteten Computerraum kam. "Das ist doch nichts für Mädchen!"
   "Wie, nichts für Mädchen?", hatte Hanna irritiert zurück gefragt, während einige der Jungs spöttisch zu grinsen anfingen.
   "Nun, wir werden hier mit Computern arbeiten", antwortete Hartmann überheblich.
Jetzt hatte Hanna kapiert. Der glaubt also, Mädchen sind zu blöd, um mit den Klapperkisten etwas anfangen zu können.
   "Sie meinen, es wäre besser für mich, in den Aquarell- oder Yogakurs zu gehen?", fragte sie.
   "Nicht unbedingt, aber ich weiß um dein zeichnerisches Talent, und das sollte gefördert werden", erwiderte Hartmann in einem oberlehrerhaften Ton.

Aha, schoss es ihr durch den Kopf, ja keine Frau in einer Männerrunde einladen. Ausgerechnet Hartmann,

der sonst immer so locker und verständnisvoll gab, musste das sagen. Ausgerechnet Hartmann, den sie noch nie in einem anderen Outfit als ausgewaschenen Jeans und alten T-Shirts gesehen hatte. Dazu fiel ihr nichts mehr ein. Hanna schaute ihm zornig in die Augen, drehte sich um und verließ, ohne ein weiteres Wort zu sagen, das Klassenzimmer. Aus war es mit ihrer guten Laune.

Dabei hatte alles so toll angefangen. Ihre Freundin Cleo, Liebling aller Lehrer und Schwarm aller Jungs, hatte sie vor ein paar Tagen auf die Idee gebracht, als sie kichernd vor dem schwarzen Brett über ihren Deutschlehrer Hartmann herzogen.
   "O, ich bin eine schwere Sünderin, Vater! - War er schon da, Mutter?", äffte Cleo den Lehrer nach, der mit seiner tiefen Stimme eine Passage aus Schillers "Kabale und Liebe" vorgelesen hatte.
   "Ich möchte mal schauen", antwortete Hanna frei erfunden und drehte sich zum schwarzen Brett, das als imaginäres Fenster herhalten musste. Ihn seh ich nicht, aber Wurm Hartmann naht. Mich dünkt, er hat ein Geschenk."
   "Was ist´s? Was ist´s?", prustete Cleo heraus.
   "Eine AG, eine..."
Als sie wieder Luft bekamen, wurde Cleo neugierig.
   "Was für eine Arbeitsgemeinschaft?", fragte sie Hanna, die jetzt dicht vor dem Aushang stand.
   "Irgendwas mit Computer", antwortete Hanna. ...

aus: Hanna, Webdesignerin, Schneider Verlag,          1999, Seite 7f



  



   

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