Des Amateurkochs (Alb-) Traum
Wolfram Siebeck, Deutschlands Gourmetkritiker Nummer eins, nimmt kein Blatt vor den Mund. Damit hat er schon so manchen Profikoch ge- und verärgert. Amateurköche müssen Siebecks spitze Zunge zumeist nicht fürchten. Es sei denn, sie werden vom ZEIT-Kolumnisten eingeladen, ihm vorzukochen.
Tsss, die servieren dem Siebeck doch glatt Granatapfelsauce mit Kernen - diese harten, bitteren Dinger! Und das im Finale! Das können wir besser, ereiferten sich zwei Amateurköche mehr weinselig als selbstgefällig als sie sich eine Reportage über einen Kochwettbewerb für Amateure der Wochenzeitung DIE ZEIT ansahen. Die beiden Hobbyköche wussten nicht, auf was sie sich einlassen.
Am Anfang war nicht das Wort, auch nicht das Feuer sondern Siebecks kulinarische Vorgabe: Nach Ingwer und Schokolade in den vergangenen Jahren sollte es in diesem Jahr Huhn sein, das mindestens einen Gang des Drei-Gänge-Menüs schmackhaft verzieren sollte. Super, jubelten die engagierten Amateurköche! Huhn, das kennen und können wir - ob gegrillt, gebacken oder wie auch immer zubereitet! Was hat sich der Siebeck wohl dabei gedacht, denn etwas einfacheres gibt es wohl nicht, juchzten die Amateurköche siegessicher.
Selbstredend geht im Informations- und Marketingzeitalter nichts ohne Brainstorming - aber ohne eine gute Flasche Wein, nein, eher zwei geht auch nichts. Wir servieren dem Siebeck ein Lufthuhn! Wie? Lufthuhn? Was soll das denn sein? Ganz einfach, erklärten die Hobbyköche ihrem kulinarisch interessierten Freundeskreis: Die Haut eines Hähnchens, das knusprig ohne Zweifel sehr, sehr lecker ist, wird an einem Stück abgezogen und danach wie ein Luftballon aufgeblasen, um es im Backrohr zu einem lukullischen Großereignis bruzeln zu lassen. Denkbar wäre auch, in diesem Lufthuhn die Beilagen zu garen, um die Jury mit einer Art Kinderüberraschung zu beeindrucken, erklärten die euphorischen Löffelschwinger dem staunenden Publikum. So weit die Theorie.
Die Praxis sah anders aus: Das Lufthuhn hing schlapp im Backrohr, die Haut weigerte sich, knusprig zu werden und der Geschmack war alles andere als aromatisch. Das Lufthuhn verkam zur Luftnummer. Die beiden Hobbyköche - jeder seines Zeichens ein Chefkoch - bekamen sich in die Haare. Und als wäre dem noch nicht genug, wetteiferten die geladenen Testesser um das Prädikat "Spottweltmeister". Die Siegerehrung dieses Wettkampfs übernahm nicht nur einmal der schleunigst beauftragte Pizzaservice...
So ganz gewöhnlich soll das Hühnchen, das unser
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schwäbisches Drei-Gänge-Menü schmücken soll, dann doch nicht sein, überlegten die beiden Kochdeckelvirtuosen. Es gibt doch tatsächlich ein "Augsburger Huhn", stellten sie bei der Internet-Recherche fest. Doch was früher in jedem schwäbischen Dorf gackernd und krähend die Nachbarn nervte, ist im Informationszeitalter in der Versenkung verschwunden. Mist, fluchten die beiden schwäbischen Kochlöffelschwinger.
Zufall und Glück halfen weiter, denn es gibt noch einige wenige Züchter, die sich um das Augsburger Huhn bemühen. Doch wie trotzt man einem Züchter einige Küken ab, um sie dem Siebeck speichelflussfördernd zu kredenzen? Außerdem dürften die Züchter des Augsburger Huhns eher auf das schwarz-blaue Gefieder der Viecher fixiert sein als auf schmackhaftes Fleisch, orakelten die beiden Hobbyköche.
Einmal mehr halfen Zufall und Glück weiter, denn es gab und gibt wenige Kilometer von Augsburg entfernt einen Züchter, der sich bereit erklärte, ein Dutzend Küken zur Aufzucht zur Verfügung zu stellen. Dumm nur, dass das sich das schwäbische Federvieh aufgrund einer Krankheit - nein, nicht aufgrund der Vogelgrippe, das ist sicher - dazu entschied, kollektiv aus dem Leben zu scheiden. Und das just zu dem Zeitpunkt als sich Wolfram Siebeck dazu entschloss, die beiden bekennenden Schwaben zum Vorkochen einzuladen. Super, oder?
Synergieeffekte halfen in dieser ausweglosen Situation weiter: Du bekommst eine professionell gestaltete Broschüre über das Augsburger Huhn und wir bekommen so viele Hühnchen aus deinem Zuchtbestand, wie wir für den Wettbewerb benötigen, lautete das Angebot der Hobbyköche, auf das der Züchter wider Erwarten einging. Schwein gehabt!
Ab jetzt hatten Kochlöffel und Kochtöpfe kein freies Wochenende mehr! Die Gemüse- und Obstgärten der Verwandtschaft wurden hemmungslos geplündert. Dutzende von geprüften Testessern rannten die Bude ein, gaben ihr Urteil ab und sparten nicht mit wertvollen Tipps. Viele, viele Flaschen Wein wurden geleert.
Inzwischen können die beiden Amateurköche Hühnchen nicht mehr sehen! Genauso wenig wie ihre zusätzlichen Kilos um die Hüften! Von der Fettleber und dem exorbitant gestiegenem Cholesterinspiegel ganz zu schweigen! Und dabei steht das Vorkochen vor Wolfram und Barbara Siebeck, dem Zwei-Sterne-Koch Hans Haas, dem Münchener Vier-Jahreszeiten-Küchenchef Markus Winkelmann sowie dem gelernten Koch Patrick Lindner noch aus!
Das komplette Menü für den Kochwettbewerb 2005 der Wochenzeitung Die ZEIT finden Sie
hier!
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